Das Finale |
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Schriftliche Anekdoten zum Wankdorf-Finale vom 7. Juli 2001
Der YB-Fan, der bereits zwei Stunden vor dem Spielbeginn in Bern eintrifft, glaubt zuerst, im falschen Film zu sein. Sind doch die Parkplätze schon alle besetzt, und sogar die Strasse hinter dem Migros ist von motorisierten Verkehrsteilnehmern in Beschlag genommen worden. Doch das Parkieren im Ghetto von Bern hat auch seine Vorteile: Man sieht neue Gärten – die man durchquert, um ein paar Minuten früher am Ziel anzugelangen – und kann sich gleichzeitig über die Sorten der Blumen streiten. Fan eins glaubt nämlich immer noch, es seien Tulpen, während Fan zwei voll auf die Karte Nelken setzt. Nun, die Welt wird die wahre Identität der Blumen wahrscheinlich nie erfahren...
Die nächste Überraschung folgt beim Ziel selber. Bereits bei der ersten Kasse sind nämlich Warteschlagen zu sehen. Mit Ausnahme der letzten paar Aufstiegsspiele war ein Hereinspazieren ohne Warten an der Tagesordnung. Doch bereits da trennen sich heute Fan und "Sehen-Und-Gesehen-Werden-Besucher." Während letzterer nämlich gleich auf die erste Kasse zu rennt, die ihm ins Auge sticht, geht Fan zur nächsten. Und siehe da, die Warteschlangen sind kaum existent. Die Securitas-Leute filzen eifrig (einige der) Zuschauer. Ihre Erwartungen werden auch gestillt, können sie doch einiges an Werkzeugen sicherstellen. Es geht allerdings das Gerücht durch die Runde, dass die Webmasterin ihr Swiss Army Knife hinein geschmuggelt haben soll. Auch rund um das Stadion herum muss man zweimal hingucken, um die gewohnte Umgebung zu erkennen. Mehrere Wagen von TV-Stationen stehen herum, und in den diversen Festzelten duftet es nach – bisher im Wankdorf noch nicht gekannten – Menus wie Bami Goreng.
Im Inneren des Stadions ist die Zuschauerzahl schon beträchtlich – am Schluss waren es 22 200. Regelmässige Stadionbesucher bangen sogar um ihre gewohnten Plätze. Mini-YB-Spieler gehen auf eine Ehrenrunde – sie haben nämlich soeben das Junioren-E-Turnier gewonnen. Dummerweise sind aber Lautsprecher und sonstige Requisiten am ganzen Spielfeldrand aufgetürmt, und so bleibt ihr Jubellauf meist ungesehen... Um 19 Uhr lassen die Organisatoren ein erstes Mal die alten Zeiten aufleben. YB-Meistertrainer Albert Sing berichtet von den Goldenen fünfziger Jahren. Ehemalige Kicker ergänzen seine Erzählungen mit Anekdoten. Auch Ottmar Walter und sein Ungarischer Gegenüber des WM-Finals von 1954, Dula Grosics, schwärmen von den guten, alten Zeiten im altehrwürdigen Berner Stadion
Als dann endlich das Spiel zwischen YB und Lugano los geht, glauben doch tatsächlich einige Matchbesucher – deren Gesichter zuvor noch nie oder zumindest jahrelang nicht mehr im Wankdorf gesehen worden sind – sie müssten neue Regeln einführen. So bleiben sie auf der Nordtribüne einfach stehen. Nach einigen – mehr oder weniger freundlichen – Hinweisen setzen sie sich doch noch hin (ist auch besser so, sie sind nämlich bös in der Unterzahl, Anm. d. Red.) Die Partie passt sich glücklicherweise den Festivitäten an: Beide Mannschaften zeigen guten und unterhaltsamen Fussball. Fürs Stadion ist es vielleicht sogar gut, dass YB nicht gewonnen hat, denn bei dieser Stimmung wäre wohl schon früher nicht mehr viel davon übrig gewesen. Die Partie gegen den Vize-Schweizer-Meister endet 1:1, und YB-Torschütze Reto Burri befördert sich gleich selber zur Legende...
Die YB-Helfer tun sich gut daran, gleich nach dem Mätschli die Tore sowie Cornerstangen wegzuräumen. Die offizielle Begründung ist zwar, dass man Platz machen müsse für die Show, doch in Wahrheit würden diese Requisiten natürlich extrem gut als Souvenirs durchgehen. Die "attraktive Überraschungsshow", wie sie angekündigt worden ist, hält tatsächlich, was sie verspricht. Denn die ist nämlich grandios. Bereits zum x-ten Mal bekommen wir die Entscheidung des WM-Finals von 1954 zu sehen – und vor allem zu hören. Zudem werden die Highlights aus diversen Cupfinals und Länderspiele des Schweizer Nationalteams nochmals in die Erinnerungen zurückgerufen. Geniale Lichteffekte runden die Show zudem ab.
Nachdem Soulsängerin Nubya – trotz ihrer Baslerischen Herkunft (O-Ton si/sda!!!) – mit "One moment in time" für Begeisterung und Gänsehautstimmung sorgt, wird die Ära Wankdorf mit einem gigantischen Feuerwerk ausgeläutet ("Time to say goodbye"). Nun ist die Ära Wankdorf zu Ende. Mit zwei Baggern der Firma Marazzi sowie dem symbolischen Spatenstich durch Werner Günthör wird der Umbau eingeleitet.
Nun sind die Fans an der Reihe. Zu Tausenden strömen sie auf den Rasen und nehmen alles mit, was nicht niet- und nagelfest ist. Sogar der Eintritt in die Katakomben ist ihnen gestattet. Zu seiner eigenen Überraschung wird dort sogar der Interview gebende Marco Schällibaum links liegen gelassen. Nun zählen nur noch Schilder, Stühle oder Bänke. Draussen zerlegen Antiquitäten-Jäger mit einem Riesenlärm die Haupttribüne. Der Rasen ist sowieso nicht mehr zu retten.
Böse Zungen behaupten übrigens, dass die Reihe-13-Fraktion der Nordtribüne die Sitzreihen entfernt haben soll. Nun, vielleicht ist das mit dem Swiss Army Knife der Webmasterin doch kein Gerücht...
Inzwischen ist der Wankdorf-Rasen zu Hause eingeflanzt, die Stein-Stückchen vom Wankdorf sind aufgestellt und YB ist bereits wieder am Fussball spielen. Die Normalität findet wieder statt, nur ist diesmal das Wankdorf nicht mehr dabei. Aber wie heisst es so schön:
Auf Wiedersehen im Jahr 2004!
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